mémreg / Dossiers

Eine ganz besondere Steuerexklave im alten Biel

Seit dem Jahr 1455 gab es in der südöstlichen Ecke der Stadt Biel (heute: Schulhäuser Dufour Ost und Dufour West sowie der entsprechende Abschnitt der Dufourstrasse) eine Steuerexklave. Die Steuern dieses Standorts gingen nicht an die Stadt Biel, sondern an die Insel Rhodos. Trotzdem floss dorthin regelmässig Geld aus der Stadtkasse. Wie kam es zu dieser aussergewöhnlichen Situation?



Heinrich Staler, der Komtur der Johanniterkomturei Küsnacht, war in jenem Jahr mit den Stadtbehörden übereingekommen, in Biel eine Niederlassung des Johanniterordens zu gründen. Die Stadt muss an diesem Schritt sehr interessiert gewesen sein, denn sie verzichtete nicht nur auf alle Abgaben, sondern beteiligte sich an den Kosten für den Abbruch von sechs Häusern, die dem Konventgebäude und der Kirche der Bieler Johanniterkomturei weichen mussten. Die Stadt verpflichtete sich zudem zu einer regelmässigen Zahlung an die Almosen, welche die Johanniter fortan jeden Freitag austeilten. Die finanziellen Rahmenbedingungen der neuen Komturei schienen gut zu sein – nur dem Hauptsitz des Ordens, der sich damals in Rhodos befand, mussten die Bieler Johanniter Steuern abliefern.

Dienst an den Kranken und Verteidigung des Abendlandes

Wer waren die Johanniter? Ihre Geschichte geht auf die Zeit der Kreuzzüge zurück. Nach der Eroberung Jerusalems durch die Kreuzfahrer entstand dort um das Jahr 1100 ein Spital, das sich voll und ganz der Pflege von Pilgern und Kranken widmete. Um dieses Spital, das sich unter den Schutz Johannes des Täufers stellte, bildete sich der Orden der Hospitaliter oder Johanniter. In den folgenden Jahrhunderten bauten die Johanniter ein riesiges Netz von Spitälern und Komtureien auf, das von einem Hauptsitz zentral verwaltet wurde. Zu ihrer Hauptaufgabe, dem Dienst an den Kranken, kam bald eine weitere Funktion hinzu: Nach der Vertreibung der Kreuzfahrer aus Palästina sahen es die Johanniter immer mehr als ihre Aufgabe an, islamische Kräfte im Mittelmeer abzuwehren. Zu diesem Zweck wurde die Insel Rhodos, seit dem Jahr 1309 Hauptsitz des Ordens, vor allem ab dem Jahr 1482 zu einer fast uneinnehmbaren Festung ausgebaut.

Grosse Aufgaben benötigen hohe Steuererträge

Der Unterhalt des Ritterheeres auf Rhodos, aber auch der Ausbau der Festungswerke kosteten weit mehr als die Abgaben, die dem Hauptsitz jährlich von den weit verstreuten Niederlassungen des Ordens zuflossen. Nicht zuletzt die Finanzknappheit brachte Peter d’Aubusson, den Grossmeister der Johanniter, dazu, im Jahr 1493 die Visitation eines Grossteils der Johanniter-Niederlassungen in Mittel- und Nordeuropa anzuordnen. Eine Visitation erlaubte es, die Wirtschaftskraft einer Johanniterniederlassung festzustellen und dadurch einen angemessenen Steuerbetrag zu Handen des Hauptsitzes festzulegen.

Die aussergewöhnliche Situation in Biel

Im Rahmen der 1493 beschlossenen Visitation wurde am 4 Januar 1495 auch die Bieler Komturei untersucht. Die beiden Visitatoren, Grossbailli Peter Stoltz von Bickelheim und Frater Antonius de Actis, fanden in Biel eine ganz besondere Situation vor. Im Text "Die Bieler Johanniterkomturei - ein Kleinod in der südöstliche Ecke der Stadt" wird sie beschrieben.