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Die Antiautoritäre Internationale

Um die Mitte des 19. Jahrhunderts verkündete das "Kommunistische Manifest" die Geburt einer neuen politischen Kraft, die in der Lage sein werde, die Welt umzugestalten - der Arbeiterschaft. Karl Marx und Friedrich Engels riefen die Proletarier aller Länder auf, sich zur Verteidigung ihrer Interessen und zur Schaffung einer besseren Gesellschaft zusammenzuschliessen. Als erste Organisation mit diesen Zielen wurde 1864 die "Internationale Arbeiter-Assoziation" (IAA) gegründet. Die IAA, anfänglich ein Zusammenschluss sehr unterschiedlicher Gruppierungen, wurde bald von zwei gegensätzlichen Strömungen geprägt. Während die Anhänger von Karl Marx auf eine Zentralisierung der Organisation hinarbeiteten, standen Michail Bakunin und seine Mitstreiter für die Beibehaltung föderalistischer und pluralistischer Prinzipien ein. Am Haager Kongress der IAA (1872) gelang es Marx, Bakunin und einen seiner Anhänger aus der IAA auszuschliessen. Doch schon zwei Wochen später gründete der russische Revolutionär mit libertär gesinnten Sozialisten die "Antiautoritäre Internationale". Dass die "neue" Internationale in St-Imier im Berner Jura entstand, ist nicht ganz zufällig.

Die Bevölkerung des St. Immertals und weiterer Juratäler galt schon vor der Geburt der modernen Schweiz als fortschrittlich gesinnt. Die meisten Familien lebten von der Uhrmacherei, sie arbeiteten grösstenteils in kleinen Betrieben, deren Geschäftsgang sehr sensibel auf einen Rückgang der internationalen Konjunktur reagierte. Die Krisenanfälligkeit der Uhrenbranche mag ein Grund dafür gewesen sein, dass die "Internationale Arbeiter-Assoziation" schon kurz nach ihrer Gründung auch im Jura Fuss fassen konnte - im Berner Jura zählte sie bald fünf Sektionen. Nach und nach kehrten die in der IAA organisierten Uhrmacher dem Reformismus den Rücken und wandten sich radikaleren Ideen zu. So befürworteten sie das kollektive Eigentum am Boden und an den Bodenschätzen. Zwei Arbeiterführer der Region, James Guillaume und Adhémar Schwitzguébel, spielten bei diesem Radikalisierungsprozess eine wichtige Rolle. Doch auch ein enger Vertrauter der beiden, der im Genfer Exil lebende Michail Bakunin, gewann das Vertrauen der Uhrenarbeiter. Bald forderten sie gar die Abschaffung des Staates - schliesslich hatten sie erlebt, dass Arbeitervertreter bei politischen Wahlen chancenlos blieben, und  Bakunin schärfte ihnen ein, die Staatsgewalt sei der wichtigste Pfeiler für den Fortbestand der sozialen Ungleichheit. Um ihrem Wunsch nach radikaler Veränderung der Gesellschaft eine angemessene Gestalt zu geben, schlossen sich die meisten IAA-Sektionen des Juras 1870 zur "Föderation der Berge" zusammen, in Abgrenzung zu den übrigen IAA-Sektionen der Romandie. Der von Karl Marx geprägte  IAA-Generalrat missbilligte diesen Schritt.

Um den Folgen der sozialen Ungleichheit nicht schutzlos ausgeliefert zu sein, schufen die Uhrenarbeiter eine Vielzahl von Organisationen zur gegenseitigen Hilfe. Es entstanden Einkaufsgenossenschaften, Hilfskassen für Notfälle, Widerstandskassen für die Finanzierung von Arbeitskämpfen und Berufsverbände. Mehrere Berufsverbände zeigten ihre politische Identität, indem sie sich der "Föderation der Berge" anschlossen.

Die "Föderation der Berge" verstand sich als Modell für die angestrebte Gesellschaftsordnung - freie Gruppen sollten sich locker untereinander verbinden, ohne ihre politische Identität aufgeben zu müssen.  Dadurch geriet sie immer mehr in Konflikt mit dem IAA-Generalrat, der im September 1871 die "Londoner Konferenz" einberief, um seine Autorität zu stärken und um zu erklären, dass die Arbeiterschaft nur als soziale Klasse handeln könne, wenn sie in Arbeiterparteien organisiert sei.

Die Beschlüsse der Konferenz blieben nicht ohne Echo. Die erste Reaktion darauf erfolgte im Jura - am 12. November 1871 traf sich die "Föderation der Berge" in Sonvilier, um eine eigenständige "Juraföderation"  zu gründen. Die Juraföderation gab sich föderalistische Strukturen und appellierte an alle Sektionen der IAA, die "diktatorische Haltung" des Generalrats zu kritisieren. Damit war die Eskalation des Konflikts am folgenden IAA-Kongress in Den Haag vorprogrammiert.