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Rebbau und Weinlese in unserer Region
Der Rebbau am Bielersee ist seit dem 9. Jahrhundert nachgewiesen. Doch nicht nur am Südhang des Juras standen Reben, auch in den Dörfern des Seelands waren Anbauflächen für den Weinbau reserviert. Der "Leset", also die Traubenernte, bedeutete für viele Menschen einen Höhepunkt im Jahreslauf.
Die Weinlese, das letzte Rebwerk im Rebjahr, ist eine Arbeit, die am Bielersee bis ins Jahr 1996 von allen Winzern eines Dorfes zu einem gemeinsamen Zeitpunkt angegangen wurde. Denn jahrhundertelang wurde das Ende des Rebjahrs in den Winzerdörfern vom Herbstbann und vom Lesebann regiert. Der Herbstbann bestimmte, dass die Zugänge zum Rebberg von August bis zur Traubenernte für Unbefugte geschlossen wurden. Mit dieser Massnahme sollten die reifenden Trauben vor Diebstahl geschützt werden. Zum Herbstbann gehörte die Rebhut, welche die Trauben vor den Tieren schützen sollte. Der Bann galt bis zum Ende des Lesets, dessen Beginn in der Regel vom Landvogt festgesetzt wurde.
Der zwei- bis dreiwöchige Leset wurde alljährlich zu einem grossen kollektiven Erlebnis - in den Reben am Bielersee wirkte das "Herbstvolk", das oft von weither in die Winzerdörfer strömte. Vor der Reformation zum Beispiel begab sich der Komtur der Johanniterkommende Münchenbuchsee mit einem grossen Gefolge ins Buchsihaus zu Twann, um die Traubenernte auf seinem Rebgut aus der Nähe mitzuverfolgen. Für die Erntehelfer aus dem Dorf Münchenbuchsee, die den Komtur begleiteten, war der "Herbst am See" der Höhepunkt des Jahres. Das galt wohl für das "Herbstvolk" generell - die Leserinnen und Leser, aber auch die Brenten- und Züberträger, die Moster, Trüelknechte, Küfer und Fuhrleute.
Ein wichtiger Faktor für das Wohlbefinden während des Lesets war die Verpflegung - auf den grossen Rebgütern wirkten zur Erntezeit auch eine Herbstköchin und ein Herbstmetzger. Die Herrschaft wurde auch nach der Reformation mit auserlesenen Speisen versorgt. Wie aus Akten der Johanniterkommende Münchenbuchsee hervorgeht, erhielt auch das "Herbstvolk" gute Kost. Der Bericht aus dem Jahr 1568 erwähnt "Kraut, Kabis, Eier, Obst, Dörräpfel und Birnenschnitze, Fleisch, Würste, Kutteln, Rüben, Zwiebeln, Käse und Ziger."
Besondere Feierlichkeiten standen während der Erntezeit nicht im Vordergrund. Immerhin verbrachten die "Halbrebenleute" - sie arbeiteten gegen die Hälfte des Ertrags auf den herrschaftlichen und kirchlichen Gütern - die Sonntage auf der St- Petersinsel, und auf den grossen Rebgütern genoss man die Geselligkeit.