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Die Lust an Reisebildern im 18. Jahrhundert
Wir leben in einer Zeit der Bilderflut. Doch schon ab Mitte des 18. Jahrhunderts nahm die Lust an der bildlichen Dokumentation selbst gemachter Erfahrungen zu.
Wir leben in einer Zeit der Bilderflut. Im Jahr 2008 wurden weltweit täglich 19 Millionen Bilder hochgeladen, im Jahr 2013 waren es schon über sechzigmal mehr, nämlich 1200 Millionen. Kein Wunder, wurde in jenem Jahr das Wort „Selfie“ zum englischen Wort des Jahres erkoren. Angesichts solcher Zahlen mag es übertrieben scheinen, von einer „Bilderflut“ des 18. Jahrhunderts zu sprechen. Aber es ist eine Tatsache, dass Reisende aus dem Adel und dem gehobenen Bürgertum Europas vor allem ab der Mitte des 18. Jahrhunderts immer häufiger Bilder nach Hause brachten, welche die Stationen ihrer Reisen dokumentierten.
Dass auch unsere Region dadurch europaweit bekannt wurde, verdanken wir dem berühmten Genfer Jean-Jacques Rousseau. Die Naturbegeisterung, die Rousseau mit seinen Werken gefördert hatte, erreichte nach seinem Aufenthalt auf der St. Petersinsel im Jahr 1765 einen neuen Höhepunkt. Die beiden Inseln im Bielersee wurden zum festen Bestandteil der aufkommenden Bildungsreisen. Zuerst kamen vor allem Engländer, später folgten die französischen Romantiker und andere. Dass Prominente wie Goethe, Hölderlin, Dumas, Balzac und Kaiserin Joséphine Bonaparte die Insel besuchten, trug wohl auch zum Aufschwung des regionalen Tourismus bei.
Entzückt von den romantischen Ansichten der Bielerseegegend, wollten viele Reisende gleich mehrere Ansichten nach Hause bringen. Landschaftsbilder aus unserer Region waren derart gefragt, dass der „Kleinmeister“ Johann Ludwig Aberli in den 1760er- Jahren dazu überging, von einer Landschaft bloss Umrissradierungen anzufertigen und diese in arbeitsteiliger Weise kolorieren zu lassen. Diese Methode machte Schule, und der schweizerische Kunstbetrieb erlebte bis in die Anfänge des 19. Jahrhunderts eine bis anhin nie erreichte wirtschaftliche Blüte. Obwohl die Ansichten bewusst romantisierend gestaltet wurden, haben die Kleinmeister Werke geschaffen, die heute auch für kunsthistorische Studien und die naturwissenschaftliche Forschung genutzt werden.