Historisches Archiv der Region Biel, Seeland und Berner Jura

Der Mord - Die historische Bedeutung des Textes

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Aus der Sicht mehrerer Historiker schrieb Heinzen 1849 einen für die Geschichte des Terrorismus bemerkenswerten Text, der manches, was spätere Terrororganisationen oder totalitäre Systeme in die Tat umsetzten, gedanklich vorwegnahm.

Heinzens Text  "Der Mord" war der erste Versuch, den Terrorismus als Mittel zur Verwirklichung revolutionärer Ziele zu rechtfertigen. Gewiss gab es schon zuvor Texte, die den  Tyrannenmord rechtfertigten, aber Heinzen weitete die Gruppe möglicher Opfer terroristischen Handelns enorm aus: In seinen Augen war die Auslöschung einer Million "Barbaren" legitim, falls monarchistische Systeme dadurch zu Fall gebracht werden könnten - der Zweck heiligte aus seiner Sicht jedes Mittel. Am Schluss des Textes formulierte er: "Der Weg der Humanität wird über den Kulminationspunkt der Barbarei führen."

"Der Mord" war auch der wohl erste Text, der für die Anwendung terroristischer Methoden auf internationaler Ebene warb. Für Heinzen gab es in Europa zwei einander entgegengesetzte Kräfte, nämlich die "Barbarenpartei", zu der er die Monarchen und ihre Machtbasis zählte, und die "Freiheitspartei" der Republikaner und Demokraten, die sich aus seiner Sicht mit allen Mitteln auf die nächste Kraftprobe vorbereiten sollte. Auch nach 1848, glaubte er, mussten sich die beiden Lager in  einen gesamteuropäischen bewaffneten Konflikt verstricken.

Der dritte bis anhin nie formulierte Gedanke betraf die Entwicklung neuartiger Waffen zur Führung eines asymmetrischen Konflikts. Die Erfahrung der in der Regel erheblichen zahlenmässigen Unterlegenheit der Revolutionäre von 1848 führte Heinzen zur Überlegung, die "Freiheitspartei"  müsse neue Waffen entwickeln - solche, die "den grossen Massen der Barbarensöldner gegen einzelne Kämpfer wenig nützen, aber letztere so furchtbar machen, dass sie ganze Massen gefährden können."  Besonders fasziniert zeigte sich Heinzen von bestimmten erst kürzlich entwickelten Sprengstoffen, die "ganze Städte" in die Luft sprengen könnten, und er dachte an "giftgefüllte, in der Luft zerplatzende Behälter", mit denen sich "Verderben auf ganze Regimenter niederregnen" lassen liesse. Er appellierte an die Revolutionäre, Preisausschreiben zu organisieren, um derartige Waffen zu perfektionieren.

Schliesslich sprach sich Heinzen für den Einsatz aller denkbarer Mittel zur Auslöschung des Gegners aus - die Kräfte der "Barbarenpartei" sollten auch fürchten müssen, durch die Einnahme vergifteter Lebensmittel beseitigt zu werden. Dieser an den "Totalen Krieg" erinnernde Gedanke wurde allerdings schon lange vor ihm geäussert.

Quellen:

Laqueur, W. (1978). Zeugnisse politischer Gewalt, Kronberg: Athenäum
Chaliand G. und Blin A. (2004). La "Belle Epoque" du terrorisme. In: Histoire du terrorisme, Paris: Bayard



Autor: Christoph Lörtscher / Quelle: 2000
Format: Christoph Lörtscher, Biel