Archives historiques de la région de Bienne, du Seeland et du Jura bernois

Seeländer Weihnachtsbräuche in alter Zeit

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Ein einsames Bauernhaus mit tieffallendem Strohdach, vergraben unter der dicken Schneekappe, eine Hofstatt mit nackten Bäumen, ringsum die weisse,  weite Fläche, aus der ein paar Weidenstrünke in wunderlichen Formen aus dem Schnee stiessen, in der Ferne schwarzer, verschneiter Hochwald, das war die nähere und fernere Umgebung des winterlichen Weilers, aus dessen Vergangenheit ich etwas berichten will.

Es gab damals im Flachland noch schneereiche Winter. Man denke:  Monatelang, tagaus und -ein, Stunde um Stunde das weisse Schweigen ums Haus. Oft muss die Grösse der Einsamkeit schwer und zermalmend auf meiner Ururgrossmutter gelegen haben. Es gab wohl niemand im Hause, der ahnte, wie schwer sie an der Winterstille trug.
Sie redete nicht davon und trug es demütig und still. Aus dieser Stille heraus mag auch der wundersame Reichtum ihrer Seele gewachsen sein. Ich gebe in der Folge einige ihrer Aufzeichnungen zur Weihnacht aus dem Jahr 1788 wieder:

"Der Winter ist gar lang und still.  Man muss sich darein schicken. Er hat auch sein Gutes. Im Monat der gnadenreichen Geburt unseres Herrn und Heilandes geschehen gar viel Zeichen und Wunder. Viele Menschen sehen wenig davon, weil ihre Augen gehalten sind. Wer aber Augen hat zu schauen, der schaue. Nicht das, was man siehet und spüret, noch das, was man greifen kann, macht unser Leben aus...

In der Weihnachtswoche soll man kein grünes Obst essen, weder Äpfel noch Nüsse, ansonst man im Gesicht einen bösen Schaden bekommt, oder Warzen an den Händen. Um die heilige Weihnachtszeit soll man nicht bey Licht spinnen. Die Wunder der Christnacht geschehen im Dunkel. Gott rühret unsere Herzen an, wenn die Hände rasten und der Mund schweiget.
Am heiligen Abend selbsten darf man kein Spinnrad anrühren, noch die Flachsstrangen in der Truhe zählen, weil die Engel im Himmel um die zwölfte Stunde ungesehen den Flachs fortnehmen und segnen. Geweihter Flachs gibt starkes Linnen.

In der heiligen Christwochen soll man alle Obstbäume düngen und die Äste mit Ruten schlagen, damit das neue Jahr fruchtbar und gesegnet werde und es viel Obst gebe. Seit anfangs Christmonat nach langer Tröckne ohne Regen noch Schnee, ist ausserordentlich strenge Kälte und viel Schnee eingebrochen, dass hierauf viel Elend, Mangel und Unglück entstanden sind, in der Nähe und Ferne, laut allen kläglichen Nachrichten in den Zeitungen. Viele Menschen und Vieh verunglückten in der Kälte, die oft härter war als 1709.

Tiefster Schnee, Menge Wölfe, Lauenen ab den Bergen schadeten sehr viel, sonderlich, da viele Flüsse und Bäche einfroren, dass zu Bern und an vielen Orten, fürnehmlich im Waadtland, die meisten Mühlinen unbrauchbar wurden, so auch die zwei Mühlinen zu Suberg vier Tage lang still stehen mussten. Die Strassen sind allerorten, in Ferne und Kanton durch ausserordentliche Mengen Schnee fast unbrauchbar, zum schädlichen Hindernuss der Reisenden.  Alle Postillons kamen viel später als gewohnt.

Die hohe Oberkeit und viel reiche Familien in Bern steureten den Armen reichlich. So sendete der Landvogt Brunner von Aarberg von seinem Eigengelt, dass es den Armen zweckmässig ausgeteilt werde.

Während der strengsten Kälte hielt der Predikant wider Brauch und Herkommen, den wenigen Zuhörern zulieb, in der warmen Schulstuben Sonntags-Gottesdienst. Aus Anlass dieser ungewohnten, ausserordentlich harten Witterung liess der hohe Sanitätsrat auf Sonntag den 18. Dezember gedruckte Vorschriften von den Kanzeln verlesen. Warnung und Rat, wie mit gefrorenen Personen umzugehen sei zu ihrer Rettung.
Verboten wurden in den Stuben die Glutsteine, wovon da und dort Menschen erstickten vom Kohlendampf.

Endlich brach gelinde Witterung ein.

23. Dezember: Für die hungerigen Vögel den Weihnachtstisch gedeckt und eine Fruchtgarben aufgerichtet. Ist nur fliegende Hab, hat aber auch böse Zeit!

24. Dezember: Alle Öltägel und Dochte geputzt, geschnitten und frisch gefüllt, dass am heiligen Abend das Licht wohl brenne. Die Finsternis ist tagaus und -ein gross.  Die Stuben gefegt und mit frischem Sande bestreut. Die Betten frisch bezogen.

24. Dezember: Sind schon acht Kramweiber mit Weggen, Kram und Grittibenzen da gewesen, dabei das arm Mareili an der Schmiedgassen und Barbli Roth um Holz. Dass Gott erbarm! Keine hat Haus und Dach überm Kopf.

24. Dezember: Hannes hat die Imben aufgelüpft und geschüttelt, dass Leben und Wachstum in den Körben bleiben und die Imben nicht bräschthaft werden.

24. Dezember: Aus jedem Säcklein eine Handvoll Gedörrtes genommen, von allen guten Gottesgaben als da sind: Zwetschgen, Kirschen, Äpfel, Birnen und Bohnen und alles zusammen z'linden getan (=eingeweicht), für am Christtag zusammen zu kochen. Nichts vergessen! Damit es im neuen Jahr wieder von allem gebe.  Auch ein gutes Möcklein Schweinsfleisch und Speck nicht!  Gott g'segne alle Gaben und schenke Fruchtbarkeit und Wachstum im nächsten Sommer!

24. Dezember: Sind am heiligen Christabend z'Liecht gesessen bei Gebet und Singen. Dursli, unser Knäblein, hat sich erlustiget an Äpfeln und Nüssen, an Schnitzen und Lebkuchen. Der Christtag war finster und ohne Licht, aber der heilige Abend zog mit Frieden auf.  Sterne stehen am Firmament. Flüchtigen Fusses gehen wir auf  der Erden. - Trat fürbittend vor Gott, dass er unser Söhnlein behüte und lenke nach seinem Willen, ihm ein tugendhaft Herz gebe und einen frommen Sinn, es unversehrt und wohlbehalten aufwachsen lasse, ihm zur Ehre, und uns zur Freude.

Allgegenwärtiger, grosser und heiliger Gott,
Der du in der säligen Heiligkeit wohnest
Und keines Menschen Hilfe begährest
Und keines himmlischen Dienstes bedarfst,
Du hast dennoch Geschöpfe, unter ihnen
auch uns hervor bringen wollen,
Damit wir Dich erkennen und Dir dienen sollen.
Oh Herr, deine Hände haben uns gebildet.

Hannes hat die Geburt vom heiligen Christ gelesen. Er hat dem Knäblein eine Krippen gemacht. Im Ofen brennet der Weihnachtsstock (dessen Kohlen man sorgfältig aufbewahrte und im Sommer, während einem heftigen Gewitter, in den drei höchsten Namen in die Dachtraufe legte. Ebenso bewahrte man das Tischlaken, worauf man die Christmahlzeit genossen, auf und breitete es bei heftigen Donnerschlägen kreuzweise unter die Dachtraufe.  Beides sollte ein Hagelwetter abwenden. ) Jetzt haben wir noch in zwölf Zwiebelschalen das Salz gefüllt. Es wird ein nasses Jahr geben.
Gnad' Gott Feld und Flur, Mensch und Tier. Ich will mich dessen getrösten: So lange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht.  

Um die zwölfte Stunde, mitte der Christnacht: Allen Abgeschiedenen den Tisch gedeckt zur Christnachtmahlzeit. Keiner, der je in diesem Hause ein- und  ausging, soll fliehenden Fusses, hungernd und dürstend über die Schwelle gehen... (Dieser Brauch wurde füher vielerorts geübt. Die Sage ging, dass in der heiligen Nacht die Seelen der Verstorbenen nochmals in die irdischen Wohnungen zurückkehren, und dass während dem Mitternachtsstundenschlag alle Tiere im Hause in Menschensprache reden, sich beklagen über Schläge und erlittenes Unrecht.) Jetzt legen wir uns nieder und befehlen Haus und Hof, Hab und Gut dem Allschützer an.

Unsichtig (= von ungefähr) schlug ich noch das Psalmenbuch auf.  Der Tage, die ich noch zu leben habe, werden nicht mehr viel sein (Aus der Zahl der Verse wollte man die Zahl der noch zu lebenden Jahre ersehen).

26. Dezember, am Stefanstag: Haben heute das Gesinde neu gedinget. Bärbeli Roth, die Jungfrau, will bis zu Liechtmess zwei neue Hemden und ein paar Schuhe haben. Es wird zu machen sein. Wir haben es versprochen. Der Schuhmacher Durs kommt auf die Stör. Das Sohlleder wird noch nicht ausgehen. Bärbeli hat den Lohn vom ganzen Jahr stehen lassen. Ist eine gar sparsame, gesittete und ehrbare Jungfrau. Gesegne Gott ihr Leben und ihrer Hände Arbeit!  Ueli Moser, der Knecht, will Handgeld nehmen und in niederländische Kriegsdienste dingen. Will uns auf Neujahr verlassen und ist nicht mehr zu halten. Derselbige ging vor etwas Zyts nicht in die Chilchen, wo das heilige Nachtmahl des Herrn ist ausgeteilt worden.  Ist vom Chorgericht ermahnt und gestraft worden um zwei Pfund. Hatte im verflossnen Jahr auch viel fehlende Melchen (konnte nicht melken).

Gott behüte ihn im fremden Land bei seinem bösen Handwerk und gehe mit ihm auf seinen Wegen. An seiner Stelle haben gedinget Niggli Mühlheim, des Schmieden Sohn allhier, obzwar wiedertäuferisch gesinnet, doch ein rechter Jungknab ist.

Das Jahr geht still zu Ende. Gott walt im kommenden, dass wir bestehen können."

Erstmals publiziert im Seebutz des Jahres 1960, hier wiedergegeben mit freundlicher Genehmigung von Max Gribi.













Auteur: Frieda Schmied-Marti / Source: 1960