Historisches Archiv der Region Biel, Seeland und Berner Jura

Pro und kontra Grossprojekte

Region / Agglomeration Biel - Seeland - Automobile - Bau - Eisenbahn - Energie - Energie - Flugverkehr - Industrie - Ökologie - Politische Aktivitäten - Politische Organisationen - Strassenverkehr - Umweltverschmutzung




Internationaler Flughafen im Grossen Moos
Wäre es nach dem Willen des Bundesrats und des bernischen Regierungsrats gegangen, würden heute die Bauern im Grossen Moos bedeutend weniger Gemüse anbauen. Denn in den 1960er Jahren fassten Landes- und Kantonsregierung vor den Türen Kallnachs den Bau eines Kontinentalflughafens ins Auge. Die Behörden hatten allerdings nicht mit dem massiven Widerstand der betroffenen Bevölkerung gerechnet. Umgehend formierte sich eine Oppositionsbewegung. Am 6. März 1972 demonstrierten beim Bieler Kongresshaus rund 5000 Seeländer gegen das Projekt. An vorderster Front bekämpfte der «Schutzverband gegen einen bernischen Flughafen im Grossen Moos» den «Airport Kallnach». Auch in den Augen der regionalen Presse fand das Vorhaben keine Gnade.
Der Bau eines Flughafens hätte die Landnutzung völlig umgekrempelt. Pisten und Zufahrtstrassen hätten das Kulturland zerstört, und rund um den Airport wären Hangars, Hallen, Hotels und Dienstleistungsbetriebe aller Art entstanden. Für Gemüsebauern wäre da nicht mehr viel Platz übrig gebliebenobst. 

Kraftwerk Jolimont
Ein thermisches Kraftwerk auf dem Jolimont? Obwohl als Vorhaben erst 1966 aufgegeben, erinnern sich heute nur noch wenige Personen an dieses Bauprojekt. 1965 kam die BKW zu Schluss, dass der Jolimont ein idealer Standort für ein mit Schweröl betriebenes Kraftwerk sei. Die Windverhältnisse seien ideal, da die «Abgase» schnell vom Wind fortgetragen würden. Der von diversen Schutzorganisationen begleitete Protest und das nach dem Bau des Atomkraftwerks Mühleberg gesunkene Interesse der BKW am Bau neuer Anlagen führten zur Aufgabe des Bauvorhabens.

Eisenbahn und Autobahn
Manchmal war der Widerstand aber auch vergebens. Für den Bau neuer Verkehrswege am Nordufer des Bielersees wurden in den späten 1960er und frühen 1970er Jahren ganze Dörfer vom See abgeschnitten. Zahlreiche Häuser mussten der damaligen Nationalstrasse N5 weichen. Für den gleichzeitigen Bau der SBB-Doppelspur wurden gar markante, landschaftsprägende Felsen – wie in Tüscherz-Alfernée geschehen – abgetragen.
Heutzutage würden diese Verkehrsstränge zweifellos anders gebaut werden. Doch das ist ein schwacher Trost für die lärmgeplagten Anwohner der heutigen Autobahn A5. Der kombinierte Strassen- und Eisenbahnbau beeinträchtigt das Dorfleben nachhaltig und hinterlässt tiefe Spuren in der Landschaft.

Cressier
Unübersehbar manifestiert sich das industrielle Zeitalter im neuenburgischen Cressier. Der in Twann geborene Arzt Kurt Hubacher (1921–2006), Mitbegründer und langjähriger Präsident der Interessengemeinschaft Bielersee (IGB), erinnerte sich gut an 1964, als bekannt wurde, dass im Ort eine Ölraffinerie entstehen sollte: «Es war ein Schock für uns [...] Niemand war informiert worden, als Cressier 1963 Shell 125'000 Quadratmeter Land verkaufte.» (Bieler Tagblatt vom 18. April 2004)
Die einst idyllische Gegend zwischen Bielersee und Neuenburgersee wurde völlig in den Dienst der Industrie gestellt. Heute beherrscht der über 100 Meter hohe Hochkamin der Raffinerie das Landschaftsbild. Dieser ist tatsächlich kein schöner Anblick. Es darf allerdings nicht vergessen werden, dass die Schweiz ein benzin- und ölhungriges Land ist. In Cressier werden jährlich 2,8 bis 3 Millionen Tonnen Erdöl verarbeitet. Dies entspricht rund einem Viertel des gesamten Schweizer Jahresverbrauchs.


Autor: Matthias Nast / Quelle: um 2005
Format: 1960