Historisches Archiv der Region Biel, Seeland und Berner Jura

Namen weg, Seele fort – das Ende des Museums Schwab

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Eine Bieler Institution mit europäischer Bedeutung soll nach 138 Jahren ihre Identität verlieren. Ein krasser Fehlentscheid

Das Bieler Stimmvolk hat in der Abstimmung von Mitte Mai 2011 dem Projekt einer Zusammenlegung des Museums Schwab mit dem Museum Neuhaus zum sogenannten „Neuen Museum Biel“ zugestimmt. War es sich dabei wohl der kulturellen und historischen Tragweite dieser Zwangsfusion bewusst? Hier drängen sich einige Zweifel auf, denn dieses von den Behörden sehr schlecht kommunizierte Projekt enthält gravierende Mängel, ist Ausdruck von fehlendem Geschichtsbewusstsein und wirkt in vielem schlicht nicht durchdacht:

Das Museum Schwab als wertvoller Zeitzeuge der Architekturgeschichte

Das historisch bedeutende Gebäude des Museums Schwab steht in der kleinen Reihe von
Pionierbauten der allerersten, von Anfang an als Museen konzipierten Gebäude in der Architekturgeschichte:

1824: Genf, Musée Rath
1849: Basel, Museumskomplex von Architekt Berri
1873: Biel, Museum Schwab (Architekt Fr. von Rütte), mit der an die Bibliothèque Nationale in Paris erinnernden ungewöhnlichen Eingangsfront mit
         Kuppeldach)

Namen und Sammlung gehören zusammen

Wenn, wie für 2012 angekündigt, die weltbekannten Sammlungen von Oberst Friedrich Schwab ausgelagert werden, verliert das Museum seine Seele, die es zum europaweit einzigartigen Relikt aus den Anfangszeiten des „Pfahlbaufiebers“ macht, denn die Sammlung ist untrennbar mit dem
Namen des Stifters und dem dafür gebauten wunderschönen Gebäude verbunden.

„...das Museum Schwab ist für die Stadt Biel ein Diamant. Jeder geschichtsbewusste Seeländer, jedes Schulkind weiss, was hinter diesen Mauern steckt - nur die Behörden der
Stadt Biel wissen es nicht. Man kann sagen, sie haben seit jeher ein gestörtes Verhältnis zu diesem Museum...“

Hans Brogni, Port, ehemaliges Mitglied der Museumskommission und ehemaliger Obmann der
Regionalgruppe Biel-Seeland des Heimatschutzes

Das Museum Schwab, einer der Geburtsorte der Pfahlbauforschung

„ ...das Museum Schwab ist einer der Geburtsorte der Pfahlbauforschung. Der Entschluss zu seiner Auflösung erinnert mich an den Versuch der Selbstverleugnung eines Neu
reichen, der von seiner Herkunft nichts mehr wissen will, in der festen Ueberzeugung, der momentane Zeitgeist verlange das so von ihm. Angesichts der kürzlichen Aufnahme der Pfahlbauten ins Unesco-Weltkulturerbe eine überaus absurde Vorstellung!“

Heini Stucki, Photograph, Biel


„...Zu den Persönlichkeiten welche sich für die - allerdings nicht der heutigen
Ausgrabungstechnik entsprechende und noch von der Hypothese ständig im Wasser stehender Bauten überzeugten - Bergung von Belegen für die ungeschriebene Geschichte prähistorischer Bevölkerungen der Schweiz einsetzten, gehörte auch Oberst Friedrich Schwab (1803 - 1869). Er trug wesentlich dazu bei, dass neben den vielen Verkäufen von „Pfahlbaualtertümern“ nicht nur an Museen und Sammlungen in der Schweiz und Europas, sondern bis weit nach Uebersee, ein interessanter Bestand typischer Funde in Biel blieb...“

Hans-Georg Bandi, emeritierter Professor für Ur- und Frühgeschichte, ehemaliger Konservator und Vizedirektor
am Bernischen Historischen Museum, revidierte die sogenannte „Pfahlbauromantik“ des 19. Jahrhunderts

Ohrfeige für die Stifterfamilien Schwab und Neuhaus

Der Name „Museum Schwab“ ist eine Referenz an den Museumsstifter Friedrich Schwab. Der Name „Museum Neuhaus“ erinnert an die bekannte Bieler Familie Neuhaus, ohne deren Grosszügigkeit die Stadt Biel noch heute auf ein Museum warten müsste. Die geplante Zusammenlegung der beiden zum ebenso grosssprecherischen wie nichtssagenden „Neuen Museum Biel“ stellt für beide Stifterfamilien eine Zumutung dar.

„...die beiden Museen haben sich schon bisher in der Museumslandschaft einen Namen gemacht. Die vorgesehene Namensänderung scheint mir respektlos zu sein gegenüber den Stiftern. Und bei jeder Fusion geht etwas in Brüche.“

Gerhard Thomke, Dr. med. dent., Biel

„...ein Männerkollegium beschneidet die Ausstrahlung des Museums Schwab und will
einen Teil der archäologischen Sammlung Schwab im Museum Neuhaus (neu: „Neues Museum Biel“) zeigen. Das Museum Schwab wird kastriert. Es verliert endgültig seinen Namen als berühmtes Museum der Archäologie."

Hans-Rudolf Oechslin, Biel, ehem. Stadtingenieur / ehemaliger Präsident Verein
Bielerseeschutz

Archäologische Museen und Sammlungen sind andernorts wahre Publikumsmagnete

Fusionsargument „Abnehmendes Publikumsinteresse an archäologischen Museen und Ausstellungen?“
Besucher- Statistiken zeigen, dass das Gegenteil der Fall ist: wo urgeschichtliche Sammlungen mit Wissen, Ideen, Herzblut und Engagement von Behörden und Oeffentlichkeit getragen werden, da strömen die Besuchermassen, und die Museen stellen bald wichtige Tourismusmagnete dar. Allein das Laténium Hauterive/Neuenburg verzeichnet etwa 40 000, das Pfahlbaudorf Unteruhldingen (D) sogar 250 000 Eintritte pro Jahr.

Eintritte in die 33 archäologischen Museen der Schweiz:
2008: 245 000
2009: 289 000
2010: 342 000

Angaben nach Besucherstatistik VSM / Verband der Museen der Schweiz

Das Museum Schwab ist ein archäologisches Denkmal der 1. Juragewässerkorrektion


„...wenn man das Museum Schwab als archäologisches Denkmal der Juragewässerkorrektion nach heutigen Vorstellungen ausstattet und nicht viele typische Funde in einem Depot für das breite Publikum unzugänglich macht, dann könnte es bestimmt auch eine Touristenattraktion für Biel werden...“

Hans-Georg Bandi, emeritierter Prof. für Ur- und Frühgeschichte, Uni Bern

Weltkulturerbe "Pfahlbauten" der UNESCO: ein eindrücklicher Schatz auch an neuen Funden in unserer Gegend

In ganz Europa werden Biel und die Seeregion um das Weltkulturerbe "Pfahlbauten" benieden. Unsere Gegend hat auch nach Oberst Schwab immer wieder mit spektakulären Funden aus der Pfahlbauerzeit für Aufsehen gesorgt - der Kantonale Archäologische Dienst machte auch in den letzten Jahrzehnten sensationelle Entdeckungen:

-Der Bau der Nationalstrasse brachte in Twann 1974-76 eine jungsteinzeitliche Ufersiedlung zum Vorschein. Eine grosse Zahl von Steinbeilen und anderen Gerätschaften aus Ton, Holz, Stein und Knochen konnte geborgen werden.

- In der selben Station wurde das älteste Brot Europas gefunden, das um 3530 vor unserer Zeitrechnung gebacken worden war.

- vor der St. Petersinsel wurde 1991 einer der schönsten und am besten erhaltenen frühbronzezeitlichen Einbäume Europas gehoben. Heute ist dieses Fundstück als ältestes Wasserfahrzeug des Verkehrshauses in Luzern zu bewundern.

- In Sutz-Lattrigen befindet sich heute nahe bei der neuentdeckten Pfahlbau-Station die Tauchbasis des Archäologischen Dienstes des Kantons Bern.

- Eine sorgfältig gestaltete Dauerausstellung im Schloss Nidau erinnert an die Juragewässerkorrektionen, welche jeweils zur Entdeckung zahlreicher Fundplätze von Pfahlbauten führten.

- Die liebevoll zusammengetragene und ausgestellte "Pfahlbausammlung Iseli" in Lüscherz zeigt, was viel persönliches Engagement und historisches Interesse möglich machen.

Die Bieler Behörden haben es bisher vermieden, irgendwelche konkrete Angaben über ihre Vorstellungen zur Zukunft des kulturhistorischen Schatzes "Museum Schwab" und "Pfahlbausammlung" zu machen. Sie haben im Jahre 2003 das "einzige reine Archäologiemuseum im Kanton Bern" nach dringend notwendigen Renovationen (Kosten: 2 420 000.-) ein drittes Mal eröffnet. Im gleichen Jahr überreichte die Stadt dem damaligen neuen Bieler Ehrenbürger Nicolas Hayek mit grossem Stolz ein in Glas verschweisstes Endstück eines Pfahls aus Sutz-Lattrigen als exklusive Ehrengabe.

Fehlendes Interesse, mangelndes Engagement und kein Geschichtsbewusstsein der Behörden

Das Interesse der Behörden am "Kulturerbe Pfahlbauten am Bielersee" beschränkte sich bisher auf plakative Gesten, wie sie oben erwähnt sind. Leider erfolgte der Entscheid zur Schliessung des Museum Schwab, bevor überhaupt konkrete Vorstellungen zur Zukunft dieser wichtigen Institution erarbeitet und kommuniziert wurden. Eine derartige Kultur-und Finanzstrategie mutet doch recht seltsam an.

Dass es auch anders ginge, zeigt die ungewöhnliche Initiative von "Parzival". Der Bieler Künstler, Erfinder, Esperanto-Lehrer, der grüne Pharao, Ambassador der Sonne, stadtbekannter Velo- Solar-Taxi-Betreiber und Kämpfer für eine Zukunft ohne Verkehr mittels Verbrennungsmotoren hat für memreg und das Museum Schwab eigens eine Serie Banknoten in seiner neuen Weltwährung ESPERO entworfen (der Tauschwert des Espero entspricht der Anzahl Minuten Esperanto-Unterricht).





Autor: Peter Fasnacht / Quelle: Peter Fasnacht, Leubringen 2011