Historisches Archiv der Region Biel, Seeland und Berner Jura

Wie Biel zum Kanton Bern kam

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Biel als Teil des Bistums Basel

Am Vorabend der Französischen Revolution war Biel eine kleine Stadt mit nicht ganz 2000 Einwohnern und eng gezogenen Grenzen. Sie war mit der Eidgenossenschaft verbündet, doch besass der Bischof von Basel, zu dessen Hoheitsgebiet die Stadt gehörte, gewisse Vorrechte, zum Beispiel das Privileg, den "Meier" (Stadtpräsident) zu ernennen. Sie wurde durch den Kleinen und einen Grossen Rat regiert und verwaltet, dabei spielten die Zünfte eine wichtige Rolle. Die Burger sahen auf die neu Zugewanderten von oben herab und misstrauten im allgemeinen die neuen Lehren. Als der von der St. Petersinsel vertriebene Jean-Jacques Rousseau die Bieler 1765 um Aufnahme bat, wollte die Mehrheit sich mit einem der Obrigkeit so verdächtigen Menschen nicht abgeben. Etwas später wurde die Insel gerade durch Jean-Jacques Rousseau berühmt, was viele Reisende dorthin und nach Biel lockte. Die Bieler waren zur Hauptsache Handwerker, Landwirte und Winzer. Mit Ausnahme der Indiennefabrik (Indienne= bedruckter Baumwollstoff), die bis zu 400 Personen beschäftigte, und der noch älteren Drahtwerke, bestand nur wenig Industrie. Als sich die Ideen der Französischen Revolution allmählich ausbreiteten, fanden sie in Biel zuerst wenig Anklang. Nach der Flucht des Bischofs von Basel schlug der protestantische Jura 1793 und 1794 den Bielern vor, sich mit ihm zu vereinen, doch sie zögerten, und schliesslich wurde nichts daraus. Als dann das französische Direktorium begann, die benachbarten Länder zu "befreien", als seine Truppen die Waadt und den Jura besetzten, entstand in Biel eine grosse Aufregung, und die Anhänger der neuen Grundsätze traten in den Vordergrund.

Biel als Teil Frankreichs

Am 6. Februar zogen die Franzosen, die bereits einen Angriff auf Bern beabsichtigten, unter General Gouvion Saint-Cyr in Biel ein. Am folgenden Tag mussten die Bieler wohl oder übel dem Anschluss ihrer Stadt an die Französische Republik zustimmen. Am 9. Februar wurde vor dem Rathaus ein "Freiheitsbaum" (die höchste Tanne des Mahlenwalds) errichtet, und zur Feier dieses denkwürdigen Tages erhielt jeder Einwohner ein halbes Mass Wein. Es wurden Revolutionslieder gesungen und bis in die Nacht hinein wurde getanzt. Gemäss den Lehren der Französischen Revolution sollte nun der Besitz der Gemeinde unter die Einwohner verteilt werden. Alles, was ihr gehörte - Liegenschaften, Gebäude, Wälder, Wein, Geschirr und weiteres - wurde versteigert, und die Bürger erhielten ihren Anteil in Form von Gutscheinen. Die Armen jedoch verkauften diese sofort zu jedem Preis. Die übereifrige Verteilungskommission wollte sogar die Stadtkirche, das Stadthaus und die Bäume des Pasquarts versteigern, aber die Franzosen verboten dies. Die Freude der Bieler war allerdings von kurzer Dauer. Da diese Verschleuderung des Gemeindebesitzes die Stadt in eine unhaltbare gebracht hatte, mussten die Einwohner dreimal mehr Steuern zahlen, und strenge Abgaben rieben die Preise in die Höhe. In Nidau kostete ein Pfund Kaffee acht Batzen, in Biel vierzig! Als Napoleon Erster Konsul und später Kaiser wurde, forderten seine Feldzüge immer grössere Opfer. Er zog Soldaten ein, wo er nur konnte. Auch die jungen Bieler mussten für Frankreich Kriegsdienste leisten. Nur die ganz Reichen konnten gegen Zahlung einer bedeutenden Summe der Aushebung entgehen. Biel war Hauptstadt eines der fünf Kantone der Unterpräfektur Delsberg geworden. Dieser "Kanton Biel" zählte 18 Gemeinden, worunter Neuenstadt und Pieterlen. Er wurde zuerst dem Departement des Mont-Terrible zugeteilt (Hauptstadt Pruntrut), dann dem Departement des Oberrheins (Hauptstadt Colmar). Französische und franzosenfreundliche Beamte hatten die Verwaltung übernommen. Der durch den Präfekten ernannte "Meier" gab sich nicht einmal mehr Mühe, den Rat aufzubieten, und handelte, wie es ihm gerade passte. Die Stadt war verarmt, gedemütigt, hoffnungslos. Doch im Juni 1812 zog Napoleon I aus, um das riesige Russland zu erobern. Seine Armee von 420 000 Mann war die mächtigste, die die Welt bisher gesehen hatte. Doch die Russen vermieden eine Entscheidungsschlacht und zogen sich immer weiter zurück. Und dann brannten sie das besetzte Moskau nieder. Damit zwangen sie die Franzosen zum Rückzug. In sechs Monaten war die "Grosse Armee" auf kaum 20 000 Mann zusammengeschmolzen. Eine siebente Koalition bildete sich gegen den bisher immer wieder siegreichen Kaiser. In der "Völkerschlacht" bei Leipzig im Oktober 1813 bereiteten die Preussen, Oesterreicher, Russen und Schweden Napoleon eine entscheidende Niederlage. Als sie diese Nachricht erfuhren, verliessen alle Franzosen zu nächtlicher Stunde fluchtartig die Stadt Biel. Es war das Ende einer fünfzehnjährigen Fremdherrschaft. Sofort wurde eine provisorische Regierung gebildet.

Biel und die Alliierten

Das Leiden war aber noch nicht zu Ende. Die Invasionsarmee der Alliierten zog durch die Schweiz. Russische und österreichische Truppen wurden in Biel einquartiert, das Gefahr lief, als feindliche Stadt behandelt zu werden und einen ungeheuren Tribut zahlen zu müssen. eine Bieler Abordnung begab sich bis ins Hauptquartier der Alliierten in Vesoul und konnte sie überzeugen, dass Biel keine feindliche Stadt sei. So entging sie den schlimmsten Kriegsfolgen. Auch so war es arg genug. Die Gegenwart der Truppen brachte viele Unannehmlichkeiten. Zu allem Elend verbreitete sich eine wahrscheinlich durch die Soldaten hergeführte Typhusepidemie, an der 123 Bielerinnen und Bieler und etwa 200 Soldaten starben.

Das Jahr 1815

Der besiegte Napoleon war auf die Insel Elba verbannt worden, und die siegreichen Mächte kamen in Wien zusammen, um das künftige Schicksal Europas zu regeln. Die Bieler beschlossen, ebenfalls einen Vertreter an den Wiener Kongress abzuordnen. Sie waren allerdings in ihren Forderungen und Wünschen keineswegs einstimmig: Die einen verlangten einen Anschluss an Bern, andere hätten das Fürstentum Neuenburg vorgezogen; die Mehrheit hätte gern Biel als Hauptstadt eines aus dem protestantischen Jura bestehenden Kantons gesehen. Diese Meinungsverschiedenheiten arteten oft in gehässige Streitigkeiten aus. Das ist zu verstehen, ging es doch um die Zukunft der Stadt. Am 4. Oktober 1814 versammelte sich die Bieler Bürgerschaft vor dem Rathaus und bezeichnete als ihren Abgesandten den 29-jährigen Hauptmann Georg Friedrich Heilmann, dessen Vater Niklaus Oberhaupt der provisorischen Regierung geworden war. Vater und Sohn waren künstlerisch und wissenschaftlich begabt: Der Vater war Mitarbeiter der französischen Enzyklopädie gewesen, einer epochalen Zusammenfassung des damaligen Wissens. Der Sohn hatte Freude an der Malerei. Beide zeichneten sich durch eine grosse Liebe zu ihrer Wahlheimat aus. Als Befürworter eines Kantons Biel begab sich Georg Friedrich Heilmann also nach Wien, doch er sah bald, dass nur geringe Aussichten bestanden, mit seinen Gedanken durchzudringen. Die Vertreter der Tagsatzung waren dagegen, und der Gesandte Berns verlangte einen Ersatz für den Verlust der Waadt und des Aargaus. Einhellig erklärten sie sich gegen die Bildung eines katholischen Kantons mit Pruntrut als Hauptstadt, wovon ebenfalls die Rede gewesen war. Heilmann fuhr trotzdem fort, sein Möglichstes zu tun, um mit den massgebenden Persönlichkeiten ins Gespräch zu kommen, seinen Standpunkt zu vertreten, die Interessen seiner Stadt zu wahren, Zusicherungen zu erhalten - als die Nachricht wie ein Blitz einschlug, dass Napoleon am Golfe Juan gelandet sei. Am 1. März 1815 war er aus Elba entwichen, um zwanzig Tage später triumphierend wieder in Paris einzuziehen. Der Kongress, der bisher anscheinend eher an die Durchführung prunkvoller Feste gedacht hatte und noch nie als Vollversammlung zusammengekommen war, hielt nun in aller Eile seine Sitzungen ab und erliess am 20. März eine feierliche Erklärung, wodurch dem Kanton Bern der grösste Teil des ehemaligen Bistums Basel sowie die Stadt Biel zugesprochen wurden. Das Schicksal Biels war besiegelt. Trotz des relativen Misserfolgs seiner Mission wurde Heilmann bei seiner Rückkehr aus Wien begeistert empfangen und beauftragt, bei den Verhandlungen mit Bern und der Eidgenossenschaft die Stadt weiterhin zu vertreten. Eine Sonderkommission kam in Biel zusammen, um die Einzelheiten des neuen Verhältnisses zu regeln. Sie stellte eine sogenannte "Vereinigungsurkunde" auf, die am 14. November 1815 unterzeichnet wurde. Heilmann war es gelungen, gewisse Zusicherungen und Vorteile für die Stadt zu erhalten. Bern weigerte sich aber, die Stadt als selbständigen Amtsbezirk anzuerkennen. Aus Achtung für die freundschaftlichen Verhältnisse" wurde Biel gnädig gestattet, zwischen den Oberämtern Nidau, Büren und Courtelary zu wählen. Biel entschied sich für das nahe Nidau. So hatte Biel seine Eigenstaatlichkeit verloren. Es war nicht Kantonshauptstadt geworden, nicht einmal Amtssitz. Viele Bieler waren verärgert und enttäuscht.


Autor: Richard Walter / Quelle: Diverse 1965