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Vor 75 Jahren rettete der Bieler Henri Dubuis wertvolle Bücher vor der Verbrennung durch die Nationalsozialisten

Am 10. Mai 1933 verbrannten die Nationalsozialisten Werke, die ihnen nicht genehm waren. Der Bieler Henri Dubuis half damals mit, eine ganze Bibliothek aus Deutschland nach Paris zu bringen.

Henri Dubuis kam als 25-jähriger Bauführer und Buchhändler nach Biel. Er fand Arbeit im Architekturbüro von Eduard Lanz, der gerade mit dem Bau des Volkshauses beschäftigt war. Dubuis half mit, das Volkshaus fertig zu bauen. Dann, unter dem Eindruck der Krise, als Lanz nicht mehr alle Mitarbeiter beschäftigen konnte, beschloss Dubuis, sich selbständig zu machen. 1933 entstanden seine ersten Flachdach-Häuser im Gartenstadt-Quartier Mühlefeld. Dubuis verdiente gut, und das Geld kam gerade zum richtigen Zeitpunkt: Sein politisches Engagement forderte ihn immer wieder auch finanziell.

Denn neben dem Beruf engagierte sich Dubuis für die Arbeiterbewegung. Schon im Alter von 16 Jahren hatte er sich für Politik interessiert - über pazifistische Ideen war er mit dem  Marxismus in Kontakt gekommen, und diese Weltanschauung  faszinierte ihn - als junger Erwachsener verstand sich Dubuis als überzeugter Kommunist. Nachdem Hitler am 30. Januar 1933 zum Reichskanzler berufen wurde, engagierte er sich für den antifaschistischen Widerstand. Zu den wichtigsten Aktionen gehörte die Rettung der Marxistischen Bibliothek in Berlin. Im Jahr 1996, als Theres Liechti Gertsch anlässlich seines 90. Geburtstags ein Gespräch mit ihm führte, erinnerte sich der Jubilar:

"Die Bibliothek ist von Berlin nach Paris gebracht worden. Die Bücher kamen in einem Paddelboot über den Bodensee, und ich habe sie mit dem Auto abgeholt. Ich hatte einen grossen Chevrolet, der mir bei manchen politischen Aktionen von Nutzen war. Die Bücher kamen nach Biel, bevor ich sie nach Pontarlier und über die französische Grenze brachte. Es war Winter, und ich erinnere mich noch gut, wie mir die Hände froren!"

Dubuis' Engagement galt damals nicht nur den von der Vernichtung bedrohten Büchern, sondern auch vielen Menschen, die unter der Herrschaft der Nationalsozialisten verfolgt wurden.  Zum Beispiel unterstützte er 1934 den deutschen Lebensreformer und Pazifisten Walter Hösterey bei seiner Flucht nach Dänemark. Im gleichen Jahr begann er, den Verfolgten in organisierter Form Hilfe zu leisten. Zusammen mit seiner Frau Marguerite Allemand schloss er sich dem Secours Rouge an, um vor allem italienischen Antifaschicsten beizustehen. Mit Geld und falschen Pässen, alles verborgen in Koffern mit doppeltem Boden, in Architekturbüchern mit hohlen Deckeln, reiste er nach Mailand, Florenz und andere Städte. Sein Kommentar, 63 Jahre später:

"Das hat immer schnell gehen müssen, mit den Rettungsaktionen in Italien. Zwischen zwei Verhaftungen hat man die Leute herausholen müssen. Manchmal war's sehr schwierig - da hat man sie zwar gefunden, diese Gefährdeten, aber sie hatten zuviel Angst und zuwenig Vertrauen. "Non conosce", haben sie dann auf "Avete fiammiferi?" oder ein ähnliches Passwort geantwortet und sich scheu davon gemacht. Dann musste von der Schweiz aus ein neues Szenario entwickelt werden." Insgesamt  kommentierte er die Arbeit mit dem Secours Rouge: "Gut organisiert war dies alles, gut organisiert und gut bezahlt - aber man hat sein Leben riskiert."

Viele politische Flüchtlinge haben damals auch in Biel übernachtet, bevor die Reise in ein mehr oder weniger sicheres Exil weiterging. 1996 erinnert sich Dubuis an einen von ihnen, der später Geschichte machen sollte:

"Tito war da. Den haben wir zum Urner gemacht und so über die französische Grenze geschickt - er konnte kein Urnerdeutsch, natürlich, aber die Grenzbeamten ja auch nicht!" Nach seiner Ankunft in Paris wurde Tito ins Zentralkomitee der jugoslawischen KP gewählt.

Im Jahr 1939, nach der Geburt des ersten Sohnes, beendete Dubuis seine Tätigkeit für den Secours Rouge. Aber auch in den Kriegsjahren führten er und seine Frau ihr politisches Engagement fort. Frau Dubuis setzte sich vor allem für Kinder von Angehörigen der Résistance ein. Im März 1944 wurde Dubuis Mitglied der sozialdemokratischen Partei. Seine Gewohnheit, selbständig zu denken, hatte ihn immer öfter in Gegensatz zur Politik der Sowjetunion gebracht - den Stalinismus konnte er nur verurteilen.