Historisches Archiv der Region Biel, Seeland und Berner Jura

Die Stadt Biel mit ihrer Landschaft um das Jahr 1768

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Die Stadt Biel, lateinisch Bienna, Biela, Biellum, und Byello, Bipennis, französisch Bienne, macht den zweyten zugewandten Stand der Eidgenossenschaft. Da sie bald mit 100 Jahren alle gewohnte und ausserordentlichen Tagsatzungen der Stände der Hochlöblichen Eidgenossenschaft besucht, so wird sie mit Recht für einen Theil dieses Frey-Stands angesehen.

Die Stadt, mit ihrer kleinen Landschaft, liegt am Fuss des Jurassus, oder des grossen Lebergebirgs. Von Morgen gegen Abend und von Mittag gegen Mitternacht hat sie beynahe eine gleiche Ausdehnung von ungefehr zwei kleinen Stunden. So eingeschränkt dieser Bezirk Landes ist, so kann er doch als ein Inbegriff aller verschiedenen der Eidgenossenschaft eigenthümlichen Schönheiten angesehen werden. Die Natur erzeuget hier alles dasjenige reichlich, was sowol zu dem nothwendigen, als angenehmen Unterhalt des Lebens gewünscht wird.

Die eigenthümlichen Waldungen der Stadt, welche (so wie die Alpen) weitläufig und beträchtlich sind, liegen (gleich diesen) in dem Erguel, folglich ausser dem Gebiet der Stadt. Alle Arten frey wachsender Bäume gedeyen in diesen Waldungen sehr wohl. Die Weiss- und Rot-Tannen gelangen zu einer fast ausserordentlichen Höhe und Dicke, ihr Holz taugt vorzüglich zu Schreiner-Arbeit. Die vervielfälltigten HandwerksManufakturen, welche die weichliche und prächtige Lebensart dieses Jahrhunderts erzeuget, sind die Ursachen, dass auch hier der Preis dieses Holzes, so wie an anderen Orten, mächtig gestiegen, jedoch ist derselbe noch niederer, als in denen benachbarten Städten.

Die öconomische Gesellschaft in der Stadt ist durch die bequeme Lage des hiesigen Geländs nach zuvor glücklich bewogen worden, eine beträchtliche Anpflanzung von geimpften, weissen Maulbeer-Bäumen zur Anlegung der Seiden-Cultur zu unternehmen. Die mit aller Sorgfalt unterhaltene Anlegung dieses dieses Seiden-Baus erhält die begründte Hoffnung, dass nach einigen Jahren, so wie besonders den Unternehmern, als überhaupt der ganzen Bürgerschaft und Angehörigen, hieraus beträchtliche Vortheile zufliessen werden. Die gleiche Gesellschaft beschäftigt sich auch, die übrigen Theile der Landwirtschaft vollkommener zu machen, auch dem Landmann die noch stark anhangenden Vorurtheile wider das Neue und Ungewöhnliche zu schwächen.

Die grosse Brunn-Quelle verdient nicht weniger bewerdet zu werden. Sie ist eine der gesundesten und reichsten des so vieljöchigen Jurassus. Unweit über der Stadt Biel siehet man sie hervorquellen. Immer ist dieselbe so mächtig, dass, nachdem sie mehr als 100 Rohrbrünnen genügsames Wasser gegeben, dennoch von dem Ueberfluss eine Tabak-Rappe, samt zwoen Mühlen, treibt. Welch ein unschäzbarer Schaz würde eine solche reiche und gesunde Quelle für die an dieser Art Natur-Gaben gänzlich Mangel leidende Grafschaft Holland sein! Ihr Wasser ist durchsichtig, leicht, sehr angenehm zu trinken. Ihre gemässigte Kühle ist sich Sommer und Winter gleich; ihr Wasser gefriert auch bey der strengsten Kälte niemals, weder bey der Quelle noch bei den Brünnen; auch bey den letztern hält man alle Vorsorge für überflüssig.

Die gesunde Luft, welche die Bewohner dieser freudigen Gegend geniessen, hat auf ihre Gesundheit einen mächtigen Einfluss. Verschiedene in andern nicht gar weit entfernten Gegenden öfters einreissende Krankheiten sind hier entweder ganz unbekannt, wenigstens breiten sie sich niemals stark noch lange Zeit aus. Alte und betagte Leute, deren Kräfte ungeschwächt, sind hier weit zahlreicher als anderwerts. Hier arbeiten Greise von 70 und mehreren mit der Munterkeit der Jünglinge.
Jedoch ich soll mich zu der Stadt selbst wenden, welche die Landschaft fast verdrungen hätte.

Die öffentlichen Gebäude sind:

1. St. Benedicts Pfarrkirche.  Man hat solche anno 1451 zu bauen angefangen, und anno 1469 vollendet. Den Thurm erhöhete man anno 1480, da er noch im gleichen Jahr einstürzte, führte man ihn sogleich wieder auf. 18 Fahnen und Standarten, welche zu den Burgundischen und andern Kriegen von den Völkern von Biel erfochten wurden, machen eine Zierde dieser Kirche.

2. Das Rathaus samt der Canzley. Die letztere ist nach dem Brand anno 1717 neu wieder aufgebaut worden.

3. Das Zeughaus. Hier ist ein so wichtiger Vorrath von leichtem und grobem Kriegsgeräthe aufbewahret, dass es der Stadt Biel nicht geringe Achtung verschaffet. Unter dem ehrwürdigen alten Geräthe werden 21 Canonen von verschiedenem Caliber gezeiget, welche mit den österreichischen und burgundischen Wapen geziert sind.

4. Der neu erbaute Spital, samt dem Pfrundhaus und Waisenhaus. In dem erstern werden sowol einheimische als fremde Arme verpflegt. Er steht auf dem Plaz allwo Heinrich Stahler, Commandeur des Hauses zu Küssnacht an dem Zürichsee anno 1454 mit Bewilligung und Beihülfe des Raths, ein Closter Johanniter-Ordens gestiftet.

5. Das Siechenhaus zwischen der Stadt und dem Dorf Bözingen. In der dabei stehenden Kirche wird den Sommer durch in französischer Sprache der Gottesdienst gehalten.

Rings um die Stadt herum stehen an den Ringmauern 11 alte, noch wol unterhaltene Türme von verschiedener Bauart. Jährlich werden in der Stadt 6 Jahrmärkte gehalten.


Quelle: "Genaue und vollständige Staats- und Erd-Beschreibung der ganzen Helvetischen Eidgenossenschaft, derselben gemeinen Herrschaften und zugewandten Orten". von Johann Conrad Faesi, Pfarrer der Gemeinde Uetikon, Zürich, 1768


Autor: Johann Conrad Faesi / Quelle: Genaue und vollständige Staats- und Erdbeschreibung der ganzen Helvetischen Eidgenossenschaft, derselben gemeinen Herrschaften und zugewandten Orten 1768