Historisches Archiv der Region Biel, Seeland und Berner Jura

Presse und Verlagswesen in Biel bis 1850

Region / Agglomeration Biel - Seeland - Stadt Biel - Druckerei - Ideologien - Journalismus - Politische Organisationen - Verlagswesen - Zeitungen und Zeitschriften




Einerseits war Biel seit 1297 mit Bern verbündet und galt seit den Burgunderkriegen als ein der Eidgenossenschaft zugewandter Ort. Andererseits gehörte die Stadt bis 1797 zum Fürstbistum Basel. Diese Doppelstellung beraubte Biel über Generationen hinweg der politischen und wirtschaftlichen Entwicklungsmöglichkeiten. Später als in anderen vergleichbaren Städten entstand darum in Biel erst 1734 eine erste Buchdruckerei. Auch einige Zeitungen wurden damals lanciert, sie hatten aber jeweils nur eine kurze Lebensdauer. 1815 wurde Biel am Wiener Kongress dem Kanton Bern zugeschlagen. Hier herrschte jedoch seit 1803 wieder die Pressezensur. Erst mit der bernischen Verfassung von 1831 begann sich in Biel die Presselandschaft zu regen.
Nachdem die dem Gedankengut des italienischen Republikaners und Revolutionärs Giuseppe Mazzini verpflichtete «Junge Schweiz» Mitte der 1830er-Jahre nur gerade ein Jahr erschienen war, rief der spätere Regierungsrat Johann Schneider 1837 den «Seeländer Anzeiger» ins Leben. Diese Zeitung stellte ihr Erscheinen jedoch schon 1841 wieder ein. Ab 1844 wurde dann mit der «Jura-Zeitung» (später «Neue Jura-Zeitung») eine weitere radikale Zeitung herausgegeben. In Biel bestand gleichzeitig eine starke liberalkonservative Gruppierung. Auf die anstehenden Grossratswahlen von 1850 hin wollten die liberalkonservativen Kreise auf keinen Fall auf ein eigenes Sprachrohr verzichten und machten sich 1849 auf die Suche nach einem Herausgeber. Diesen fanden sie in Franz Joseph Amatus Gassmann.
 
Die Drucker aus der Ambassadorenstadt
Die aus Eich LU stammende, seit etwa 1615 in Solothurn ansässige Familie Gassmann konnte 1850 bereits auf eine lange Buchdruckertradition zurückblicken. Schon 1781 hatte Franz Joseph I. als allererster Buchdrucker der Familie Gassmann die Hochobrigkeitliche Buchdruckerei Solothurn in Lehen übernommen und hier u.a. die erste solothurnische Zeitung, das «Solothurner Wochenblatt», herausgegeben. Als Mitbegründer der «Helvetischen Gesellschaft» und 1797 als Herausgeber der Satireschrift «Helvetischer Hudibras» hatte er sich weit über die Kantonsgrenze hinaus einen Namen geschaffen.
Ab 1835 führte Franz Josephs Enkel, Franz Joseph Amatus, das Geschäft in Solothurn. Sein Vater, Franz Joseph II., baute seinerseits die Verlagsbuchhandlung Jent und Gassmann auf und gab hier u.a. einige Werke von Jeremias Gotthelf heraus.
Nebst dem liberalen, zweimal wöchentlich erscheinenden «Solothurner Blatt» – das bis 1861 in seinen Händen blieb – veröffentlichte Franz Joseph Amatus auch zeitkritische Blätter wie den so genannten «Distelikalender» des Oltener Karikaturisten Martin Disteli. Mitte der 1840er-Jahre druckte der Verlag 30000 Kalenderexemplare – eine für die damalige Zeit unglaublich hohe Auflage. Auch das in der ganzen Schweiz bekannte Humorblatt «Postheiri» (eine Art früher «Nebelspalter») wurde ab 1846 bei Gassmann gedruckt. Die Drucker- und Verlegerfamilie Gassmann stand bereits früh in Kontakt mit Biel. So liess beispielsweise 1832 die Burgergemeinde Biel einen Verfassungsentwurf bei Gassmann in Solothurn drucken.
 
Die Liberalkonservativen
In den 1830er- und 1840er-Jahren war die Schweiz politisch tief gespalten. Die Radikalen traten für Freiheit, Demokratie und eine geeinte Nation ein, die gemässigteren Liberalen waren an einem nationalen Wirtschaftsraum interessiert, und die Konservativen verteidigten ihre alten, aristokratischen Vorrechte, die Souveränität der Kantone und die Autorität der Kirche. In Freischarenzügen und 1847 im Sonderbundskrieg nahmen die Auseinandersetzungen gewaltsame Formen an. Nach der Niederwerfung der katholisch-konservativen Sonderbundkantone wurde 1848 mit der Bundesverfassung der ehemals lose Staatenbund in einen modernen Bundesstaat umgewandelt. Im Kanton Bern war bereits seit 1831 eine demokratische Verfassung in Kraft. 1846 hatten die Radikalen die Grossratswahlen überlegen gewonnen. Waren in den 1840er-Jahren das Seeland und der südliche Jura fest in den Händen der Radikalen, wurde für die Wahlen von 1850 in den anderen Kantonsteilen – so auch in Biel – heftig um die Gunst der Wähler gekämpft. Der Bieler Eduard Blösch schrieb für die Konservativen des Kantons ein Parteiprogramm. Dieses liberal gehaltene, konservative Parteiprogramm setzte sich für die Bundesverfassung von 1848 ein und galt im wirtschaftlichen und sozialen Bereich als fortschrittlich. Trotzdem wurden die Liberal-konservativen um Eduard Blösch von den Radikalen weiterhin als Reaktionäre und Freunde des Ancien Régime verschrien.


Autor: Matthias Nast / Quelle: -1848